
The Royal Treatment
Es ist oft nicht ganz leicht, eine zuverlässige Internetverbindung zu finden, aber dank einer Dinnereinladung in ein Haus mit WiFi sollte es heute Abend klappen. Den ersten Eindruck übermittelt Blogger Paul, dessen Beschreibung stellenweise von dichterischer Freiheit Gebrauch macht. Er schrieb im Bus auf dem Weg nach Delhi, wo so manches Schlagloch seine kreative Ader beflügelte:
Unser vierter Tag in Indien hat gerade erst begonnen, und nicht zum ersten Mal frage ich mich, ob mein Entschluss hierher zu kommen nun wagemutige Neugier oder naiver Wahnsinn war. Wenn ich mir diese Frage stelle, kommen mir eine Menge Eindrücke in den Sinn. Da wäre zum Beispiel die Wand, bestehend aus bedrückender Hitze, Schwüle und dem beißenden Geruch indischen Staubs und Smog, welche wir mit diabolischer Endgültigkeit durchschritten, als wir aus dem Flughafen traten.
Im Kontrast dazu steht wiederum der pompöse Empfang, welchen wir bei unserer Ankunft an der Schule erhielten. Den Anblick der Blaskapelle, welche extra für uns in paramilitärischer Manier am Tor aufmaschierte, werde ich wohl nie vergessen. Im Anschluss an diesen Empfang, welchen ich schon als überaus beeindruckend empfand, unwissend was später folgen sollte, wurden wir zu unseren Gastfamilien gebracht. Mit wachsendem Interesse und einer Spur von Verzweiflung, überpruefte ich sogleich den Lebensstandard, welcher mich künftig erwarten sollte: Bett und Zimmer waren mit dem Austauschschüler zu teilen, die Dusche war (im europäischen Sinne) nicht existent, sondern bestand aus einem Eimer kombiniert mit einem Becher, den man gefüllt über dem Kopf ausleert. Überraschend effektiv ist diese Methode, dabei auch strom- und wassersstraßensparend. (Die Grünen wären begeistert) Mir wurde also schnell klar, dass ich meine Existenzängste getrost für den suizidalen Straßenverkehr aufheben konnte.
Am nächsten Morgen wurden wir um 5 Uhr indischer Zeit geweckt und trafen bald darauf im Haus einer anderen Gastfamilie ein, mit der wir den Familienausflug verbringen würden. Nichts hat mir bisher so sehr die extreme Einkommensschere in Indien klar gemacht wie dieser Ausflug. Hier traf ich auf eine Familie, die in einem geradezu palastartigem und äußerst luxuriösem Haus lebte. Unter ihrer Organisation wurde unser Ausflug zum Exklusivurlaub, wir selber zu VIPs. Dies gipfelte nicht selten in etwas peinlichen Situationen, wenn wir zum Beispiel in extra gemieteten Golfwägen durch den Zoo kutschiert wurden oder beim Einsteigen in den Bus andere Gäste zurückgehalten wurden, um uns das Einsteigen und eine freie Platzwahl zu ermöglichen. Während der Busfahrt waren wir in der Lage, einen tiefgreifenden Eindruck von der indischen Alltagskulisse zu erhaschen, welcher über den Verkehr hinaus von einem bunten, abwechslungsreichen Straßenbild geprägt ist. Zu sehen ist jedoch auch die allgegenwärtige Armut, welche sich zumeist in Verfall und unübersehbarem Schmutz äußert, und so jedem noch so interessanten Anblick einen bitteren Beigeschmack verleiht.

School Assembly
Am nächsten Tag sollten wir zum ersten Mal die Schule besichtigen und am offiziellen Empfang teilnehmen. Ich denke, kein Außenstehender könnte je meine Überraschung nachvollziehen, zu welchem mit fortlaufendem Empfang auch eine gehörige Portion Bewunderung trat angesichts der überaus eloquenten Reden einzelner Schueler und Lehrer sowie dem Vortrag der deutschen, indischen und schulischen Hymne. Den Höhepunkt fand dieses Ereignis in dem imposanten Aufmarsch indischer Schüler in der Uniform der vier Waffengattungen auf dem Schulhof, als ein Hauch von West Point durch die Schule zu ziehen schien. Der Rest des Tages verlief wie im Fluge, während wir eine ausführliche Führung durch die Schule erhielten und an einer Diskussion über das Thema „Ideas rule the world“ teilnahmen. Die war von den indischen Schülern offensichtlich penibelst einstudiert und wurde mit höchstem rethorischen Geschick vorgetragen, sodass wir kaum zu Wort kamen.

- Marching
An die folgenden Ereignisse erinnere ich mich nur noch undeutlich, nachdem mein Körper um die Mittagszeit eine Niederlage im Kampf mit dem ungewohnten indischen Essen und der schwülen Hitze erlitten hatte. Nachdem ich durch einen kühlen, ausgiebigen Mittagsschlaf einen effektiven Wiederaufbau in Gang gebracht und einen Marshallplan in Form eines westlichen Medikamentenmixes genossen habe, dürfte ich heute wieder kampfbereit sein und freue mich auf neue Abenteuer in Delhi.
Paul Noller
Anmerkung der Redaktion: Blogger Paul erfreut sich wieder bester Gesundheit.